Wie verändert sich das Bewegungsprofil von Studierenden der Stadt Graz während einer globalen Pandemie?

Das COVID-19-Virus geht für die meisten Menschen mit einer starken Veränderung des Lebensstiles einher. Die Pandemie mag auf den ersten Blick als rein gesundheitliche Krise erscheinen, es wird jedoch schnell klar, dass sich der Ausbruch des Corona-Virus auf alle Bereiche der Gesellschaft auswirkt. Der COVID-19-bedingte Zustand wird in der Krisenforschung als Transboundary Crisis bezeichnet, als eine Krise, die weder räumliche, noch sachliche Grenzen kennt (Brinks, Ibert 2020). Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbot, Arbeitsverlust sowie durch die Ebengenannten möglich entstehende psychische Beschwerden betreffen viele Österreicher*innen. Zusätzlich kommt die vermehrte Freizeit, die mit Aktivitäten gefüllt werden will. Gerade kinderlose Studierende sind hiervon stark betroffen. Lehrveranstaltungen werden bis einschließlich Ende Juni nur online angeboten, persönliche Kontakte werden stark eingeschränkt, viele Freizeitaktivitäten sind nicht mehr möglich und auch unter Studierenden ist mit Einstellung der Beschäftigung zu kämpfen. Hier stellt sich die Frage – Was tun Studierende, wenn es Nichts mehr zu tun gibt?

 

„Wenn man nirgendwo hingehen darf, geht man eben herum“ schreibt Philipp Pramer Ende April 2020 auf derstandard.at. Die Zweckmäßigkeit der Wege ändert sich, lautet die Hypothese. Waren viele Wege vor dem Ausbruch des Corona-Virus auf ein bestimmtes Ziel gerichtet, so sind sie unter der Pandemie wahrscheinlich flexibler, spontaner und unbeständiger. „Momentan hören und sehen wir nicht viel außer Virologen und Ärzten. Mehr und mehr kommen aber Fragen auf, die die Medizin nicht beantworten kann, es sind Fragen zur Ethik, Moral, Philosophie, zum Leben und dem Tod. Lange Spaziergänge sind zuverlässige Helfer dabei, sie machen den Kopf frei, sie lüften die Seele. Fast alle, die draußen unterwegs sind, denken geradezu zwangsläufig in irgendeiner Form über die wichtigen Fragen des Lebens nach. […] Die ganze Welt geht denken gehen“, erzählt der Spaziergangsforscher Bertram Weisshaar in einem Interview mit Die Welt (Bodderas 2020). Weisshaar weist am Ende des Interviews daraufhin, dass durch unter COVID-19 vermehrtes Spazieren, oder auch Laufen, Radfahren und Wandern, nun die Frage nach öffentlichen Grünflächen, Erholungsgebieten und Platz für alle Nicht-Autofahrer im Raum steht. Er denkt, dass das vermehrte zweckungebundene Aufhalten im öffentlichen Raum auch nach der Pandemie bestehen bleiben wird, für ihn ein starker Ruf, öffentliche Grünflächen und sichere Wege für Fußgänger in Städten auszubauen. Diese Betrachtungsweise macht die Forschung nach Bewegungsprofilen von Menschen, die in Städten wohnen, relevanter und aktueller denn je.

 

Um die Frage „Wie verändert sich das Bewegungsprofil von Studierenden der Stadt Graz während einer globalen Pandemie?“ zu beantworten, wurden Bewegungsprofile von Studierenden erhoben sowie eine Online-Umfrage erstellt.

Bewegungsprofile sind hier als Wege zu verstehen, die die Studierenden auf einen Zeitraum von 7 Tagen auf einer Karte verzeichnen. Hier wird nach Gründen für die zurückgelegten Wege unterschieden. Diese können essentiell, zwecklos, ausbildungs- oder arbeitsbedingt oder sozialer Natur sein. Dieses Bewegungsprofil wird jeweils einmal für den Zeitraum vor sowie ein weiteres Mal für den Zeitraum während der Quarantäne beziehungsweise Ausgangsbeschränkungen aus dem Gedächtnis angefertigt. Die Studierenden sollen hier also eine typische Uni- und Arbeitswoche sowie eine Woche unter den neuen Corona-Regelungen darstellen.

 

Um einen näheren Einblick zu erlangen wurden die Studierenden über einen online Fragebogen zu ihren Wegen befragt. Der Fragebogen besteht aus 23 Fragen und beansprucht circa 10 Minuten. Die Personen werden hier nach Studienrichtung und Alter unterschieden. Die Studierenden werden zu ihrer Wohnsituation und Bewegungsgewohnheiten befragt. Gleichzeitig gibt es auch die Möglichkeit zur Selbsteinschätzung, die befragten Personen können angeben, ob sie das Gefühl haben, ihre Bewegungsgewohnheiten verändert zu haben. Die Umfrage ist unter folgendem Link abrufbar: https://survey2.edu.uni-graz.at/226748/lang-de (Dienstl, Signitzer 2020).
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung haben 16 Personen an der Umfrage teilgenommen. Mit der Kombination aus diesen zwei Methoden können bereits nachvollziehbare Ergebnisse festgestellt werden.

Ergebnisse

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass Studierende kürzere Strecken zurücklegen, die öffentlichen Verkehrsmittel meiden und sich mehr in der unmittelbaren Umgebung ihrer Wohnung aufhalten. Das Bewegungsprofil des Beispiels besteht hier aus einem Screenshot einer Onlinekarte ihrer Wahl und die Strecken wurden mit Bildbearbeitungsprogrammen eingezeichnet. Unterschiedliche Farben der Strecken repräsentieren den Grund des zurückgelegten Weges. Rote Strecken stehen für essentielle Wege wie ein Arztbesuch oder Lebensmitteleinkäufe. Grüne Strecken stehen für zwecklose Wege wie Spazieren, Laufen oder Radfahren. Blaue Strecken stehen für Wege zum Arbeitsplatz oder zur Universität. Strecken mit der Farbe Rosa stehen für soziale Wege, also Wege um sich mit Freunden zu treffen.

In Abbildung 1 ist links die Karte unter normalen und rechts die Karte unter corona-bedingten Regelungen zu sehen. Auf der linken Karte sieht man die weiten essentiellen Wege, die sich von Lend bis Geidorf strecken. Auch die zurückgelegten Strecken für die Universität und den Arbeitsplatz von dem Bezirk Jakomini bis Geidorf stechen hervor. Die sozialen Wege werden in der Innenstadt und besonders im Stadtpark und an der Mur entlang geführt. Bei der Karte während der Quarantäne sieht man, dass die Person nicht mehr auf die Universität und zur Arbeit geht. Die Person meidet vermeintlich große Menschenmengen in der Innenstadt und anderen beliebten Spazierwegen. Aber die Strecken in der unmittelbaren Umgebung der Wohnung haben sich klar vermehrt.

Kartendaten © 2020 Google

Quellen

 

Bodderas E. (2020): Wie Sie ihren Corona-Spaziergang optimal nutzen. https://www.welt.de/politik/deutschland/article207169445/Sport-in-der-Krise-Wie-Sie-Ihren-Corona-Spaziergang-optimal-nutzen.html, zuletzt geprüft am 9.5.2020.

 

Brinks V., Ibert O. (2020): Beraten und Entscheiden in einer „Transboundary Crisis“. https://blog.prif.org/2020/04/15/beraten-und-entscheiden-in-einer-transboundary-crisis/, zuletzt geprüft am 9.5.2020.

 

Dienstl F., Signitzer B. (2020): Wie verändert sich das Bewegungsprofil von Studierenden während einer globalen Pandemie? https://survey2.edu.uni-graz.at/226748/lang-de

 

Pramer P. (2020): Promenadologie: Die Wissenschaft vom Spazierengehen. https://www.derstandard.at/story/2000117072332/promenadologie-die-wissenschaft-vom-spazierengehen, zuletzt geprüft am 8.5.2020.

 

von Franziska Dienstl und Benjamin Signitzer

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