Machtverhältnisse in der Geräuschelandschaft von Graz in Zeiten von Covid-19



Nachdem im letzten Blogpost sehr offensichtliche Machtstrukturen, die auch institutionell verankert sind, thematisiert wurden, wird diesmal näher auf subtile(re) Formen der akustischen Raumaneignung eingegangen.

 „Der öffentliche Raum als bewusst zu gestaltender Ort wird bestimmt durch eine Unmenge an Forderungen von unterschiedlichsten Interessensgruppen, Verpflichtungen gegenüber dem Allgemeinwohl, Gesetzmäßigkeiten (wie gesetzlichen Regelwerken EU/Bund/Land/Stadt aber auch informellen Abläufen), historisch getroffenen Entscheidungen bestimmt durch Bauten oder Freiräume/Parks/Restflächen/Infrastrukturen, klar sichtbaren und subtileren Formen des Gefügigmachens durch Kontrolle, marktwirtschaftliche Überlegungen, aber auch durch Repräsentation und Imagination…

Dieser Ort ist nicht frei, nicht unschuldig und schon gar nicht einfach, eher stur. Weil wir als soziale Körper und Wesen ihn mit den individuellen Bedürfnissen, Beweggründen und Wünschen auch noch beleben, verteidigen, ordnen wollen. Was per se komplex ist. Insofern ergeben sich immer auch Widersprüche. So öffentlich und zugänglich und gemischt, wie das Städtische oft tut, ist es nicht.“ (Inninger, Pruckermayr 2019, S. 62).

Die vielfältigen Einflüsse und Hintergründe rund um den/im/des Öffentlichen Raumes werden in diesem Zitat aus einem mehrjährigen Kunst-, Forschungs- und Friedensprojekt rund um die Conrad-von-Hötzendorf Straße dargelegt, es porträtiert wie umkämpft und nicht unvoreingenommen er ist. Diverse Arten der Beeinflussung, des Aneignens und der Be-/Einschränkung des Öffentlichen Raumes lassen sich unter dem Überbegriff der „Alltäglichen Grenzziehungen“ zusammenfassen, die sich auch in der Mikroebene des Städtischen im auditiven Raum manifestieren. Grenzen zu ziehen, bedeutet Macht auszuüben, da bewusst Trennungen forciert werden, ein „Innen“ und ein „Außen“ geschaffen wird. Hierbei sind Grenzziehungen aber nicht nur als etwas Räumliches zu betrachten, sondern auch als soziale und alltägliche Möglichkeiten einschränkende Erfahrung zu verstehen (Book et al. 2008, S.8).

In der Geräuschelandschaft von Graz lassen sich, neben solch offensichtlichen (oder vielmehr offen-hör-baren) Machtverhältnissen wie letztens akustisch zum Nach-Erleben bzw. als Hör-Erlebnis im vorangegangenen Post eingebettet, auch viel subtilere Formen von akustischer Machtausübung ausmachen. In der nächsten Soundscape, beziehungsweise in dem Zusammenspiel mehrerer Ausschnitte unterschiedlicher Echos von diversen Klanglandschaften, werden die zuvor angesprochenen alltäglichen (Mikro-)Grenzziehungen in den Fokus gerückt. Fragen, die während des individuellen Hörens reflektiert werden können: Welche Arten von (temporären) Grenz-ziehungen, Ab-Grenzungen, Aus-Grenzungen sind durch das Zuhören (in-)direkt erfassbar? Wo ist die Grenze zwischen Öffentlichem und Privatem, Kollektivem und Exklusivem Raum? Für wen/Von wem sind diese Grenzen gezogen worden, von wem werden sie gehört und wahrgenommen?

https://www.dropbox.com/sh/86sdbvh224f066s/AAA8FEulDbbQaf1aV-tTj8ZAa?dl=0

Zwischen den unterschiedlichen Soundscape-Ausschnitten sind jeweils ein paar Sekunden Pause/Stille zu hören, um eine akustische Trennung der verschiedenen Klanglandschaften zu schaffen. Die wahrzunehmenden „Grenzen“ sind enorm vielfältig und -schichtig (von Türen über Ampeln und Absperrungen, akustischen Abgrenzungen, Ketten, Übertönungen und vieles mehr) und könnten zum besseren Verständnis noch um einiges länger und näher belauscht werden.

 

Literatur und Quellenhinweise:

Book, C.; Huke, N.; Klauke, S.; Tietje, O. (2019): Alltägliche Grenzziehungen. Das Konzept der „imperialen Lebensweise“, Externalisierung und exklusive Solidarität. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot.

Inninger, B.; Pruckermayr, N. (2019): Geordnete Öffentlichkeiten. In: Pruckermayr, N. (eds.): Demokratie und Frieden auf der Straße: Comrade Conrade. Ein Kunst-, Forschungs- und Friedensprojekt in Graz 2016-2019. Graz: CLIO, S.62 – 64.

Foto: Eigene Aufnahme und Bearbeitung

Audiodatei: Eigene Aufnahme und Bearbeitung

                                                                                                  von Hannah Zauner

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