WIE VERÄNDERT SICH DAS BEWEGUNGSPROFIL VON STUDIERENDEN DER STADT GRAZ WÄHREND EINER GLOBALEN PANDEMIE?
Die im vorigen Beitrag besprochenen angefertigten Kartierungen der Bewegungsprofile der Studierenden gehen jeweils mit einer Umfrage einher, die nach dem Erstellen der Karten durchzuführen war. Hierbei gaben die Befragten erst Name, Alter, Wohnort bzw. Grazer Stadtbezirk und Studienrichtung an. Das Durchschnittsalter beläuft sich hierbei auf 21,6 Jahre, die Studierenden sind also allesamt recht jung. Lediglich zwei Personen sind bereits über 25 Jahre alt. Die Studierenden sind allesamt (Wahl-)Grazer*innen, zwei Drittel von ihnen wohnen in der Innenstadt, der Rest teilt sich auf die Bezirke Straßgang, Ries, Eggenberg und Waltendorf auf. Hier ist anzumerken, dass sich die Wohnsituation im Untersuchungszeitraum ausschließlich bei Bewohner*innen der Innenstadt änderte, etwa zogen während der Quarantäne alle Mitbewohner oder die Befragten selbst zu Verwandten.
Über die Hälfte der Proband*innen studieren an der Umwelt-, Regional- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät, vier davon Umweltsystemwissenschaften-Geographie oder Geographie. Die restlichen Studierenden sind an der Rechtswissenschaftlichen oder Sozialwissenschaftlichen Fakultät angesiedelt. Somit sind lediglich vier der elf Befragten mit dem geographischen Forschungsfeld vertraut.
Im zweiten Teil der Umfrage beantworten die Studierenden Fragen zu ihrem Bewegungsalltag vor und während den Quarantänebestimmungen. Vier von elf Studierenden geben an, sich seit den neuen Regeln mehr im Freien aufzuhalten. Sechs Personen haben ebenso hinzugefügt, sich nun öfters in unbekannten Gebieten aufzuhalten. Vergleicht man dies mit den angefertigten Bewegungsprofilen, so müssten einige mehr Studierende angeben, sich öfters im Freien aufzuhalten, da die Meisten vermehrt Spaziergangs- oder Radfahrstrecken einzeichneten. Zwei Drittel geben ebenso an, ihnen sei aufgefallen, dass sie sich jetzt vermehrt zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewegen, auch wenn Ihnen ein Auto zur Verfügung stehe oder sie sonst die öffentlichen Verkehrsmittel genommen hätten. Öffentliche Verkehrsmittel werden hingegen nur von vier Personen etwa ein Mal pro Woche genutzt.
Auch diese Studierende müsste eigentlich angeben, sich öfters im Freien bzw. zwecklos zu bewegen. Die grüne Linie zieht sich vom Wohnort bis zum Hilmteich. Sie gibt jedoch an, sich meist in ihrer Wohnung aufzuhalten und wenige Orte im Freien sowie keine anderen Orte als im regulären Alltag aufzusuchen. Die sozialen, essentiellen und Freizeitstrecken haben sich entgegen der eigenen Wahrnehmung auf der Kartierung jedoch deutlich verändert.
Der dritte Teil der Umfrage beschäftigt sich mit der persönlichen Einschätzung zum neuen Bewegungsverhalten. Beinahe alle Studierenden geben an, sich öfters alleine fortzubewegen und Orte mit Menschenansammlungen zu meiden und stattdessen Kontakt zur Natur zu suchen. Anstatt öffentliche Parks aufzusuchen, entscheiden sich die Studierenden jedoch für flächigere Erholungsgebiete fern des Stadtzentrums wie den Leechwald oder die Rettenbachklamm. Dies könnte einerseits daran liegen, dass die Befragten andere Menschen meiden oder aber auch Abwechslung in ihren Alltag bringen und die neugefundene Freizeit nutzen wollen. Von einigen Studierenden wird hier noch eingewandt, dass sie unter normalen Umständen meist öffentliche Grünanlagen aufsuchten, um Freunde zu treffen und sich aufgrund der sozialen Distanzierung nun weniger dort aufhalten.
Die Proband*innen wurden an diesem Punkt der Umfrage gebeten, einzuschätzen, ob sich Grazer*innen während der Quarantäne vermehrt zweckgewidmet oder zwecklos im öffentlichen Raum bewegen würden. Die Frage wurde zu diesem Zeitpunkt gewählt, da die Studierenden nun selbst ihr neues Bewegungsverhalten hinterfragt, jedoch noch nicht auf die Zweckmäßigkeit der Wege hingewiesen wurden. Während sieben Personen mehr zwecklose Wege (etwa Spazierengehen, Radfahren, Wandern, etc.) vermuteten, so gaben immerhin vier Personen an, dass ihrer Meinung nach vermehrt zweckgewidmete Wege (etwa Einkaufen, Arbeits-/Ausbildungswege, Arztbesuche, Besuch bei Freunden/Verwandten, etc.) zurückgelegt wurden. Ausnahmslos alle Befragten, die zwecklose Wege angaben, beantworteten in der nächsten Frage, dass sie selbst über vier, in zwei Fällen sogar über sieben, zwecklose Wege pro Woche zurücklegen würden. Diejenigen, die vermehrt zweckgewidmete Wege vermuteten, legten null bis maximal drei zwecklose Wege pro Woche zurück. Wer sich also vermehrt zwecklos im Raum bewegt, vermutet dies auch bei anderen Grazer*innen.
Auffällig ist außerdem, dass die Studierenden, die angaben zu glauben, dass zweckgewidmete Wege überwiegen, ebenso angaben, dass sie alle ihre Wege unter den Quarantänebedingungen alleine zurücklegten. Sechs der sieben Personen, die stattdessen zwecklose Wege angaben, legten jedoch maximal die Hälfte der Wege alleine zurück. Ob dies korreliert ist unklar, es könnte jedoch sein, dass die Studierenden, die zwecklose Wege vermuteten, die Quarantäneregelungen weniger ernst nehmen, während die Studierenden, die sich für zweckgewidmete Wege entschieden, ihren Wohnort aufgrund von COVID-19 weniger oft und auch nicht für Spaziergänge oder Ähnliches verließen und deshalb davon ausgehen, dass andere Grazer*innen auch nur für essentielle, also zweckgewidmete Wege das Haus verlassen würden. Befolgen diese Proband*innen die Lockdown-Regelungen strenger, was auch erklären würde, warum die eben Genannten das Haus nur alleine verlassen, so haben sie möglicherweise auch ein anderes Bild von der gesamten Grazer Quarantänesituation.
Alle Befragten beantworten die Frage, ob sich ihr Bewegungsprofil durch COVID-19 verändert hätte, mit Ja. Die Meisten geben an, dass sie sich dies erwartet hätten, lediglich wie viele Wege durch eingeschränkte soziale Kontakte wegfallen, überrascht die Studierenden etwas. Fünf Studierende geben an, sich nun bewusst öfters im Freien aufzuhalten und mehr Freude daraus zu ziehen. Drei Personen erzählen, dass ihnen nicht nur neue Orte in Graz, sondern besonders in ihrem Viertel aufgefallen sein. Hier werden Straßen, Häuser oder Plätze genannt. Durch die vermehrte Zeit, die achtsamer in der Umgebung verbracht wird, fällt den Studierenden also Neues in ihrem Viertel auf. Die Befragten scheinen bei zweckgewidmeten Wegen also kaum auf ihre Umgebung zu achten. Zwecklose Wege hingegen fördern laut diesen Ergebnissen das Bewusstsein und die Achtsamkeit.
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