Auseinandersetzung zwischenmenschlicher Kommunikation anhand von Textvignetten: Analyse und Interpretationen in den Corona Phasen
Nachdem
im letzten Blogpost die Forschungsfragen und Methoden vorgestellt wurden,
werden in diesem erste Textvignetten gezeigt, analysiert und interpretiert.
Zuerst
werden die Textvignetten nach Anzahl, Wichtigkeit, Aussagekraft und Grad
der Beantwortung kategorisiert und sortiert. Daraus sind die Sparten mit eben jenen
Fällen entstanden:
·
Der Markt: Dieser beschreibt Situationen, die an den
Markttagen passiert sind.
·
Die Pfadfinder: Es werden Ereignisse geschildert, die an Tagen
passiert sind, in denen sich die Pfadfinder Gruppen zu einer Vielzahl an
Treffen versammelt haben.
·
Gruppentreffen: Allgemeine Zusammenkünfte verschiedener Gruppen
und Vereinen werden in dieser Kategorie beschrieben.
Dies
sind zugleich auch die aussagekräftigsten Vignetten und geben Antworten über
die Forschungsfrage. Die Vorgehensweise lautet wie folgt: Es werden zwei
Textvignetten aus den beiden Forschungsorten A und B aufgezeigt, um Analysen
und Interpretationen durchzuführen. Leser können sich durch Vignetten eine
Meinung bilden. Auch als Diskussionsgrundlage von Interviews oder
Gruppendiskussionen kann diese Art der Methode verwendet werden (Rosenberger
2018, S. 271).
In
diesen Forschungswochen vom 16.06.2020 bis 30.06.2020 gibt es vermehrt Maßnahmen
zur Eindämmung des COVID-19 Virus, die sich auf die Bevölkerung auswirken. „Seit
15. Juni 2020 ist, gemäß Verordnung des Gesundheitsministeriums, ein
Mund-Nasen-Schutz nur noch an bestimmten öffentlichen Orten (wie z.B.
Massenbeförderungsmitteln, Apotheken, Betrieben des Lebensmitteleinzelhandels,
Post, Banken, bei Veranstaltungen und bei Dienstleistungen, bei denen der Mindestabstand
von 1 Meter nicht eingehalten werden kann) zu tragen, ausgenommen davon sind
nur Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr und Personen, denen aus
gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann“ (BMLRT 2020). Auch Personen,
die nicht gemeinsam zusammenleben, müssen einen Abstand von mindestens einen Meter
einhalten. Diese Maßnahme ist auch im öffentlichen Raum wahrzunehmen (vgl.
BMLRT 2020). Das (Sinn-) Bild des Babyelefanten, der in seiner Länge 1 bis 1,5 Meter misst, ist ein Synonym für den Abstand zwischen den Menschen. „Bis Ende
Juli sind Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen zulässig“ (BMLRT 2020). Größere
Zusammenkünfte und Veranstaltungen können jetzt stattfinden, wie Märkte,
Flohmärkte und Events.
Textvignette
Standort A Eustacchiopark: Samstag, den 16.06.2020, um 15:23 Uhr.
Genauer
Standort der Beobachtungen und des Niederschreibens:
Eigene Darstellung (OSM
2020).
Ein
Pfadfindertreffen ist im Gange. Bierbänke und Tische sind aufgestellt. Eine Handvoll
Menschen stehen und sitzen. Ein junger braunhaariger Mann trägt die Getränke
aus dem Lager der Pfadfinder heraus. Er hat keine Maske an. Er bringt die
Getränke an den Tisch und verteilt sie. Dabei haben einige, an die er die
Erfrischungsgetränke übergibt, Masken an. Es kommt zu direktem Kontakt und
jeder bedankt sich bei dem jungen Mann. Eine Frau unterhält sich ein bisschen
länger mit ihm, als er ihr das Getränk gibt. Sie hat keine Maske an und beide
halten auch keinen Abstand ein. Sie plaudern und lachen gemeinsam, der Mann
legt seine Hand auf ihre Schulter. Der junge Mann erzählt wieder etwas und
beide beginnen wieder zu lachen. Der braunhaarige junge Mann verschwindet
wieder im Lager. Einer brünetten Frau fällt ein Glas herunter, die umliegenden
Menschen helfen sofort, heben die Glassplitter auf und ein älterer Herr geht
ins Lager. Er kommt mit einem Besen zurück. Nun hilft er die restlichen
Glassplitter vom Boden aufzukehren. Anscheinend ist die Flüssigkeit des
Getränks auf das Kleid der Frau getropft, da diese jetzt auf die Toilette geht.
Andere Menschen mit Pfadfinder T-Shirts wischen inzwischen den Boden auf. Am Grill,
der weiter weg steht, brutzelt es schon und das Fleisch wird von einem glatzköpfigen
Herrn mit einer Schürze mit dem Pfadfinderlogo umgedreht. Nach einiger Zeit legt er das Fleisch von
dem Grill auf einen großen Teller. Dieser steht rechts auf der Wärmeplatte
des Grills. Als alle Fleischstücke und Würstchen auf dem Teller liegen, geht
der Mann zum Tisch und verteilt lächelnd das Essen. Er hat keine Maske auf, während
er das Essen verteilt. Sein Bierbauch ist oftmals im Weg, doch er lacht nur darüber.
Die anderen Pfadfinder nehmen das Essen dankend entgegen. Einige nehmen gewollt
Abstand ein, um nicht in Kontakt mit anderen oder dem Herrn, der das
Grillfleisch austeilt, zu kommen.
Fallvignette
Standort B St. Paul Apotheke: Samstag, den 30.06.2020, um 11:48 h.
Genauer
Standort der Beobachtungen und des Niederschreibens:
Eigene Darstellung (OSM
2020).
Die Menschen warten in einer Schlange vor der dem Eingangsbereich. 4 Personen stehen davor, ein älterer Herr mit einer blonden Halbglatze, eine Frau mit rötlichem Haar, eine junge blonde Frau mit Kind und ein anderer älterer Herr mit einem Gehstock. Alle tragen Masken. Im Inneren der Apotheke ist richtig viel los. Fast alle Schalter sind offen. Trotzdem dürfen nur eine Handvoll Personen zeitgleich hinein, wie man am großen Schild an der Seite erkennen kann. Wenn eine Person aus der Apotheke herauskommt, wird demjenigen Platz gemacht und der Nächste, in diesem Fall, der älterer Herr mit der Halbglatze, tritt ein. Es werden keine Begrüßungsfloskeln, wie „Grüßgott“ oder „Aufwiedersehen“ gerufen“. Der Mann tritt ohne Worte ein als eine andere Frau herauskommt. Die anderen stehen noch immer geduldig in der Schlange mit 1,50m Abstand und rücken eins vor. Der Mann in der letzten Stelle der Schlange regt sich darüber auf, dass es keinen Sessel gibt und gestikuliert wild. Die Frau mit Kind beruhigt ihn und sagt, das geht nicht. Das Kind hat eine Maske auf dem Gesicht, jedoch unter dem Kinn. Der Mann regt sich noch immer über die Situation auf. Er nimmt die Maske ab, um besser Luft holen zu können und verständlicher für die Frau zu sein. Die rothaarige Frau kommt nun dran und der ältere Herr von vorher kommt heraus. Der andere Mann mit Gehstock beruhigt sich ein bisschen. Es ist nur mehr die Frau mit Kind vor ihm.
An
diesen beiden Vignetten kann man an einer allein oder im Vergleich (Teil-)
Antworten auf die Forschungsfrage bekommen. Dies bedeutet, dass man die Textvignetten
im Vergleich sehen oder als eigenes Forschungsfeld bearbeiten kann. Die Fragen
werden nicht aus der Vignette abgeleitet. Die vorher formulierte Frage, welche
Veränderungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation ablaufen, soll
beantwortet werden und somit werden Gesellschaftsmuster aufgedeckt. Was kann
man aus diesen Vignetten herauslesen?
Die
Orte unterscheiden sich in ihrer Etikette und Norm. Der Standort A ist
ein öffentlicher Raum, indem Freizeitaktivitäten, wie Fußball spielen und Mountainbiken,
stattfinden. Ein Ort, der Spaß, Freude und Lust vermittelt und von Lachen
begleitet wird. Dagegen der Standort B ein Raum der Dienstleistungen beherbergt
und somit herrscht auch eine andere Norm. Dieser Raum ist akustisch still, es
wird sehr leise gesprochen und die Atmosphäre ist ernst.
Wie
man aus der ersten Vignette herauslesen kann, helfen die Menschen
einander immer noch und die Kommunikation ist ungestört aufrecht. Es werden verschiedenste
Feste abgehalten, in denen alle Kanäle, verbal und nonverbal, der zwischenmenschlichen Kommunikation
angesprochen und abgerufen werden. In dieser Vignette ist Spaß an erster
Stelle. Die Freude einander zu sehen, ist groß. Die Maßnahmen, an die sich die
Menschen halten, sind jedem einzelnen selbst überlassen. Manche tragen eine
Maske, manche nicht. Auch Dankbarkeit ist zu spüren, weil alles in die
Normalität, die vor der Epidemie war, zurückfindet. Man freut sich, sich
treffen zu können. Man kann es als gesellschaftsverändernd ansehen, dass die
Menschen durch die Pandemie positiver, hilfsbereiter und freudiger geworden
sind. Das wäre ein Plus für die Gesellschaft.
Aus der zweiten Vignette ist zu erkennen, dass die Regeln nicht eingehalten werden und, dass die Kommunikation leidet, zumindest bei älteren Personen, da diese mit der Maske nicht umgehen können und sich mit den Umstellungen schwertun. Nicht alle, aber in diesem Beispiel hier schon. Auch in anderen Vignetten wurde schon erkannt, dass es älteren Personen schwerer fällt. Man kann bei den älteren Personen sehen, dass sie Angst haben. Viele von ihnen haben den Krieg schon erlebt. Obwohl sich um einen Dienstleistungsbetrieb handelt, von dem man annehmen würde, dass er strikt und genau die Maßnahmen umsetzt. Nicht nur die Älteren, auch das Kind ist nachlässig. Auch der Mutter kann eine gewisse Unbekümmertheit unterstellt werden, weil sie nichts sagt. Die Kommunikation leidet, weil Barrieren, wie das Tragen einer Maske die Kommunikation stört. Hier kann man es also als nicht gesellschaftsverändernd sehen, weil noch immer Ungeduld, Ärger und Nachlässigkeit oberste Priorität haben.
Im
Vergleich Textvignette 1 zu Textvignette 2:
Man
könnte es auch Spaß versus Dienstleistung nennen. Im Vergleich kann man starke
Differenzen bei den beiden Forschungsorten ausmachen. Diese haben den
Hintergrund, dass es sich bei der Apotheke um einen Raum mit medizinischem
Nutzen handelt. Dies bedeutet die Personen, die den Ort aufsuchen, brauchen
medizinische Versorgung der Apotheke. Dadurch ist auch das gedankliche Konstrukt
ein anderes als beim Standort A. Im Vergleich kann man sehen, dass, obwohl die
Einhaltung der Regeln im Forschungsort B strikter sein müsste, Regeln und
Maßnahmen trotzdem nicht vollständig eingehalten werden. Der Raum A dagegen
kommt seiner Etikette und Norm nach. Denn in diesem werden Vorschriften von den
beteiligten Personen nicht so eng gesehen, wie es eigentlich sein sollte.
Im
nächsten Post wird eine weitere Vignette behandelt, die weitere Antworten auf die
Forschungsfrage geben soll.
Quellen:
Bundesministerium
für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (2020): Aktuelle Maßnahmen der
Bundesregierung. https://www.bmlrt.gv.at/tourismus/corona-tourismus/massnahmen_bundesregierung.html,
zuletzt geprüft am 06.08.2020.
Rosenberger,
K. (2014): Tausend Nuancen des Wissens - Textanalytische Rekonstruktionen zum
Kompetenzerwerb in der LehrerInnenausbildung
http://www.wipaed.jku.at/wp-content/uploads/2014/09/FORIM_2011_Rosenberger.pdf,
zuletzt geprüft am 06.08.2020.
Open
Street Map 2020: Karte. https://www.openstreetmap.org/#map=12/47.0605/15.4303,
zuletzt geprüft am 07.08.2020.
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